Hori Izhaki | Kreuzberg
Those who know know, those who don’t a handful of lentils, 2024
Geboren 1986 in Tel Aviv-Jaffa als Kind marokkanischer und irakischer Eltern, identifiziert sich Hori Izhaki als arabische Jüdin – eine doppelte Identität, die sowohl ihr kulturelles Erbe als auch die Komplexität ihrer persönlichen Erfahrungen widerspiegelt. Als multidisziplinäre Künstlerin setzt sich Izhaki häufig mit der Spannung zwischen persönlichem und kollektivem Gedächtnis auseinander, insbesondere im Hinblick auf marginalisierte Erzählungen. Seit acht Jahren lebt und arbeitet sie im Berliner Stadtteil Kreuzberg.
Ihr jüngstes Werk, „Those Who Know Know, Those Who Don’t a Handful of Lentils“ (2024), bringt diese Spannungen zum Ausdruck. In dieser Videoinstallation über mehrere Kanäle, die auch eine Skulptur einschließt, lädt Izhaki die Betrachter*innen dazu ein, kritisch zu hinterfragen, wie Identität geformt, angefochten und ausgelöscht werden kann, mit besonderem Fokus auf die Erfahrungen arabischer Juden und Jüdinnen in Israel. Sie setzt sich mit dem Konzept des „eingepflanzten Gedächtnisses“ auseinander, bei dem Geschichten und Identitäten so angepasst werden, dass sie in dominante historische Narrative passen – oft auf Kosten der eigenen Herkunft, die dabei ausgelöscht wird. Dieses Werk spiegelt ihre umfassendere Kritik an Identitätspolitik und kultureller Homogenisierung wider. Um dies zu verdeutlichen, stellt Izhaki die nach der Staatsgründung in Israel gepflanzten europäischen Kiefernwälder den einheimischen Landschaften gegenüber, die dadurch verdrängt wurden. Sie nutzt diese Wälder als Symbol für den Verlust und die Transformation des kulturellen Gedächtnisses. Für viele europäische Einwanderer*innen und Holocaust-Überlebende waren diese Kiefern ein tröstliches Symbol der Heimat, aber zugleich lebendige Mahnmale des Traumas. Durch Izhakis Perspektive werden diese Wälder jedoch zu Metaphern für die Assimilation der jüdisch-arabischen Geschichte in ein eurozentriertes nationales Narrativ – sie löschen die Vielfalt dieser Identität aus und verschieben die Wahrnehmung des „Feindes“ von den Nazis hin zu den Arabern.
Ein weiteres Element ihrer Installation ist die Pflanze „Tradescantia“, im Hebräischen oft als „Wandernder Jude“ bekannt. Diese Pflanze, die eher mit europäisch-jüdischer Identität als mit arabisch-jüdischem Erbe verbunden wird, überwuchert und verdeckt die arabischen Buchstaben, die „ANA“ (auf Deutsch „Ich“) buchstabieren. Allmählich verdeckt das natürliche Wachstum der Pflanze den Text und spiegelt so einen Prozess des Verschwindens wider, der die schichtweise Verdeckung der arabisch-jüdischen Identität innerhalb größerer Narrative symbolisiert. Izhaki verstärkt die persönliche Resonanz des Werks zusätzlich durch Materialien wie ihr eigenes Haar, aber auch Wüstenerde, um andere Aspekte von Gedächtnis und Identität mit ihrer eigenen Biografie zu verbinden. Diese intimen Elemente rufen sowohl ein Gefühl von Zugehörigkeit als auch von Exil hervor und symbolisieren die greifbaren Verbindungen zu Land, Erbe und die Komplexitäten entwurzelter Existenz.
Die Ereignisse des 7. Oktobers haben Izhakis Werk von einer hoffnungsvollen Erforschung gemeinsamer Identität zu einer Auseinandersetzung mit Angst, Überleben und dem kollektiven Trauma, das wir „geerbt“ haben, gewandelt. Allerdings ist es ihr seit diesem Tag schwergefallen, ihre Arbeit – und gar in hoffnungsvollem Geiste – fortzusetzen, besonders angesichts eines blutigen, andauernden Krieges, in dem alles instabil, eingeschränkt und oft missbraucht erscheint. Früher trug sie ein T-Shirt mit der arabischen Aufschrift „Ich bin auch Araberin“ in der Hoffnung, Gespräche über Zugehörigkeit und Herkunft anzuregen. Doch seit diesem Tag und im Laufe des letzten Jahres ist ihr Optimismus geschwunden. Beim Passieren von Checkpoints in Israel oder sogar beim Tragen des Shirts in anderen öffentlichen Räumen fühlte sie sich gezwungen, die arabische Schrift zu verbergen, da sie ein gewisses Risiko spürte. Diese Erfahrung verschob auch ihre Wahrnehmung, machte deutliche Spaltungen und Ängste sichtbar und ließ sie die Fragilität von Solidarität in Zeiten intensiver, gemeinsamer Trauer neu hinterfragen. Heute, ein Jahr später, fühlt sie sich bereit, das Shirt wieder zu tragen.
Das Werk wurde kürzlich im KUNSTPAVILLON in Innsbruck und im Jüdischen Museum Hohenems in Österreich ausgestellt. Im Jahr 2026 wird es ins Mishkan Museum of Art in Ein Harod, Israel, weiterwandern.