Theodor Kabaker und der Boulevard des Ostens | Friedrichshain

Ehemaliger Straßenname: Frankfurter Allee 120

Im Laufe des späten 19. Jahrhunderts wuchs in Deutschland die jüdische Bevölkerung in beachtlichem Maße. Dies war zum einen Folge der Industrialisierung, zum anderen der Deutschen Einigung von 1871. Im Jahr 1896 wurde die erste jüdische Vereinigung, die ‚Israelitische Vereinigung Friedrichsberg und Umgebung e. V.‘ gegründet. Sie diente als Koordinationsstelle für die Organisation jüdischer Gottesdienste und für die Bereitstellung von Bildungsangeboten in ihrem Stadtbezirk. Die Folge war, dass sich in dieser Gegend zahlreiche jüdische Geschäfte und Fachkräfte ansiedelten, darunter etwa Persönlichkeiten wie die Psychiater Alfred Döblin und Franz Josef Kallmann. Viele jüdische Familien bezogen Wohnungen entlang der Frankfurter Allee, welche als ‚Boulevard des Ostens‘ bezeichnet wurde. Ein für die Entwicklung dieses blühenden Handelszentrums in Friedrichshain tonangebender Unternehmer war Theodor Kabaker. Kabaker führte ein Holzgeschäft und eine Fabrik in unmittelbarer Nähe zu anderen jüdischen Betrieben. 

1935 wurde er vom nationalsozialistischen Regime als Nicht-Arier klassifiziert, woraufhin ihm das Recht auf Zugang zu Gütern entzogen wurde. Er versuchte, diese Entscheidung anzufechten mit der Begründung, dass es sich um eine ungerechtfertigte Beleidigung handelte. Dabei machte er geltend, dass er im Ersten Weltkrieg für Deutschland an der Front gekämpft und schwere Verletzungen davongetragen habe. Sein Geschäft sei seither sein Lebensinhalt, und es ihm zu nehmen würde bedeuten, ihm die letzte Hoffnung zu nehmen. Er war fassungslos und konnte die Logik hinter der Klassifizierung nicht durchschauen, zumal er sich selbst keineswegs als jüdisch identifizierte. Von dieser Identität hatte er sich seit langem verabschiedet und war in der Jüdischen Gemeinde seit über einem Jahrzehnt nicht mehr präsent. Angesichts seiner Ehe mit einer Christin und der evangelischen Erziehung seines Sohnes muss es ihm höchst verwirrend erschienen sein, nun als ‚jüdisch‘ gekennzeichnet zu werden. So fand er sich in einem tragischen Dilemma; denn die Juden sahen ihn als Antisemiten, der seine jüdischen Wurzeln verleugnet – ein in dieser Zeit häufiges Phänomen –, während gleichzeitig die Nazis ihn als Juden brandmarkten.

Quellen:

Kaul, M. (n.d.). Zwischen Frankfurter Tor und Ringbahnhof II. Kulturring Berlin.

Natho, J. (2003). Juden in Lichtenberg und Friedrichshain-Hellersdorf: Ihre Verfolgung und Ermordung in der NS-Zeit und ihre Geschichte nach 1945 bis zur Gegenwart (1st ed.). Hentrich & Hentrich.

Die Ausstellung

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Jüdisches Leben in Berlin, Damals und Jetzt

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