Philo-Verlag & Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens | Kreuzberg

Aktueller Straßenname: Lindenstraße 13 (Libeskind-Gebäude des jüdischen Museums Berlin)

Ehemaliger Staßenname: Lindenstraße 13 / Ecke Hollmannstraße

Im Jahr 1893 wurde der ‚Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens‘ als wichtige Kraft für die Vertretung jüdischer Interessen und für jüdische Kulturerhaltung gegründet. Bemerkenswert war der Verein nicht nur durch seine Funktionen bei Fragen der Rechtsvertretung, sondern auch durch seinen strategischen Ansatz. Er operierte mit doppeltem Fokus: durch den aktiven Einsatz für jüdische Rechte über juristische Wege, und durch die Förderung einer positiveren jüdischen Identität innerhalb der deutschen Gesellschaft. Durch ihren Einfluss sowohl auf den intellektuellen als auch auf den öffentlichen Diskurs versuchte die Vereinigung, bestehende Vorurteile und Irrtümer über Juden infrage zu stellen und dadurch dem Ziel der Integration und der Verwirklichung gleicher Bürgerrechte zuzuarbeiten.

An ihrem Standort an der Lindenstraße unterhielt der Verein auch eine Bibliothek und ein Archiv, und zwischen 1905 und 1930 beherbergte der Hauptsitz außerdem den Philo Verlag, eine einflussreiche Platform für jüdische Literatur und Philosophie. Der Verlag wurde zu einem wichtigen Element des jüdischen Kultur- und Geisteslebens und veröffentlichte Werke prominenter Autoren und Denker. Im Verlagsprogramm befanden sich u. a. namhafte Figuren wie etwa Martin Buber, ein für seine Arbeiten zu existenzphilosophischen Themen und jüdischem Denken bekannter Philosoph, sowie der Theologe und Kulturhistoriker Franz Rosenzweig. Die Publikationen deckten ein Spektrum ab, das von religionswissenschaftlichen Studien über philosophische Abhandlungen bis hin zu jüdischer Gegenwartsliteratur reichte; dadurch schuf dieser Verlag einen wichtigen Rahmen für solide intellektuelle Auseinandersetzungen in der Jüdischen Gemeinde. 

Verein und Verlag wurden für die Jüdische Gemeinde zu einer Quelle der Kraft in schwierigen Zeiten. Sie gaben ihren Mitgliedern nicht nur Orientierungshilfe, sondern erfüllten sie auch mit kulturellem Stolz und intellektueller Energie. Die Arbeit dieser Institutionen verlieh der Gemeinde einerseits eine Stimme, schuf andererseits aber auch eine Grundlage, die es künftigen Generationen ermöglichen sollte, ihr kulturelles Erbe zu würdigen und zu pflegen. Durch ihren Aktivismus, ihr Bildungsengagement und ihre Literatur prägten sie die Geschichte des Judentums in Deutschland nachhaltig.

Zum Ende des Jahres 1930 zogen der Verein und der Verlag in den Westen Berlins (Emser Straße 42). Später, im Zuge der Nürnberger Gesetze von 1935, wurde der Verein gezwungen, seinen Namen zu ‚Centralverein der Juden in Deutschland‘ zu ändern, dann, 1936, zu ‚Jüdischer Centralverein e. V.‘. In der Folge des Novemberpogroms im Jahr 1938 wurde der Verein schließlich verboten.

Bildquelle:

Barkai, A. (2002). „Wehr dich!“ Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.) 1893–1938. C. H. Beck. 

Braun, H. F. (1991). Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens e.V. und der Philo Verlag. Lindenstraße 13. In: Juden in Kreuzberg. Fundstücke, Fragmente, Erinnerungen. Berliner Geschichtswerkstatt e.V. (Hg.).

Urban-Fahr, S. (2001). Der Philo-Verlag 1919–1938. Abwehr und Selbstbehauptung. Olms.

Die Ausstellung

Navigating Between Gravities

Jüdisches Leben in Berlin, Damals und Jetzt

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